7.
Ich schaute mich noch eine Weile im Spiegel an, nur um mich an den Anblick zu gewöhnen. Das Kleid umspielte leicht meine Rundungen, bevor es zu meinen Knöcheln endete. Mein Haar floss leicht zu beiden Seiten hinunter und machte den Effekt der Eleganz noch wirkungsvoller.
„Na, wie findest du es?“, fragte ich Hakuron der langsam ins Schlafzimmer kam. Er schaute mich nur Verblüfft an und kam zu mir getrottet um sich von mir kraulen zu lassen.
„Anscheinend ganz gut“ Ich schaute ihn liebevoll an und streichelte über seinen Kopf.
Es klingelte an der Tür und ich ging schnell hin um sie zu öffnen.
Vor mir stand Marco und strahlte mich an.
„Raven! Wie geht es dir?“, fragte er schon bevor ich die Tür überhaupt ganz geöffnet hatte.
„Gut, und selbst?“ Ich trat zur Seite um Marco hereinzulassen. Langsam schlenderte er zu mir und umarmte mich zur Begrüßung.
„Mir geht es, natürlich, auch gut. Aber du hast das Kleid angezogen! Es sieht wundervoll an dir aus!“ Marco hielt mich eine Armeslänge von sich entfernt und strahlte noch mehr. „Alle Männeraugen werden dir folgen.“, er zwinkerte mir zu und lies mich los.
Bei dem Gedanken daran wurde ich rot und schaute leicht zur Seite.
„Naja, dir werden aber auch ein paar Augenpaare folgen.“, war meine einzige Antwort. „Du siehst nämlich auch gut aus.“
Er lachte und schaute mich direkt an. „Aber nichts gegen dich, meine Süße.“
Marco hatte ein weißes Hemd mit Ärmeln, die ihm bis zu den Handgelenken gingen, an. Dazu trug er eine schwarze Hose mit einer silbernen Kette die sich von einer Seite zur anderen zog. Seine schwarzen, stacheligen Haare standen zu allen Richtungen ab.
Marco war mein bester Freund und Vertrauter, mit ihm konnte ich über alles reden und er hörte mir auch immer zu, egal um was es ging. Er ist zwar ziemlich durchgeknallt aber auch verständnisvoll. Das einzige Manko an ihm war, dass er einen immer in schwierige Situationen brachte. Einmal hat er zum Beispiel versucht in ein Geschäft einzubrechen weil er dort seine Brieftasche vergessen hatte. Anstatt einfach am nächsten Tag hinzugehen und nachzufragen wollte er sie gleich wiederhaben und ist nach Ladenschluss hin um sie sich zu holen. Mich hatte er mitgeschleift, weil er jemanden brauchte der schmiere stand. Kaum war Marco auch schon im Laden kam die Polizei vorbei und nahm uns beide fest. Zum Glück erinnerte sich der Ladenbesitzer an uns und sah von einer Anzeige ab, da er genau wusste weshalb Marco da war. Für mich war die ganze Aktion einfach nur peinlich, da Marco auch einfach nach der Brieftasche hätte fragen können. Aber so war er einfach.
„Wo ist eigentlich Hakuron?“, fragte Marco plötzlich und schaute sich um.
„Wahrscheinlich immer noch im Schlafzimmer und schläft gerade. Da hab ich ihn jedenfalls zuletzt gesehen. Wann müssen wir eigentlich bei der Veranstaltung sein und was wird da jetzt eigentlich genau ausgestellt?“Meine Neugier hatte sich kein wenig gelegt, im Gegenteil, jetzt wollte ich umso mehr wissen wo ich hinfuhr und was mich da erwartete.
„Raven“, Marco sah mich tadelnd an, „du weißt doch dass ich dir nichts verraten werde. Nur soviel, es wird dir sehr gefallen. Außerdem wirst du es ja noch erfahren.“
„Na super, diese Angabe hilft mir jetzt auch sehr viel weiter…“, seufzend gab ich mich vorerst geschlagen. Er hatte ja recht, ich würde es sowieso heute noch erfahren. „Wann müssen wir eigentlich da sein?“
„Um 22.00 Uhr ist Einlass.“ Marco schaute auf die Uhr über mir an der Wand. „Wir müssen jetzt auch gleich los, sonst kommen wir zu spät.“
„Gut, dann lass uns los bevor sie uns nichtmehr rein lassen.“ Ich wandte mich zur Tür und öffnete sie wieder um Marco vorausgehen zu lassen. Hakuron erschien an der Schlafzimmertür und ich blickte ihn noch einmal an. „Tschau Hakuron.“
„So, wollen wir dann los? Ich platze gleich vor Aufregung.“
„Ja, mein Auto steht unten vor der Tür. Lass uns los, bevor ich noch einen Strafzettel kassiere.“
„Das ist jetzt aber nicht dein ernst. Sag mir bitte nicht das du im Halteverbot geparkt hast.“
„Gut, dann sag ich es halt nicht.“ Mit diesen Worten ging er voraus.
Typisch Marco. Mit einem Seufzer folgte ich ihm raus.
Ich überlegte hin und her wo ich jetzt mit Marco hinfahren würde. Er hatte gesagt es würde mir gefallen, doch mir fiel einfach nichts Passendes ein, was genau er damit gemeint haben könnte.
Gegen meine Vorsetze wurde ich wieder Neugierig und versuchte doch noch etwas aus ihm herauszubekommen.
„Komm Marco, wo fahren wir hin?“ Ich klang wie ein kleines Kind. Aber wenn man sich schon über etwas den Kopf zerbrach und der beste Freund es bereits wusste und es nicht sagen wollte, durfte man auch wie ein kleines Kind klingen.
„Raven, “ Marco schaute mich genervt an. „das erfährst du doch schon in 20 Minuten. Und jetzt lehn dich zurück und entspann dich. Es wird nichts schlimmes sein. Ich bin mir sogar sehr sicher das es dir gefallen wird.“ Marco hatte sich mir perfekt angepasst. Jetzt klang er nämlich wie ein Erwachsener der total genervt von seinem Kind ist. Ich konnte mir nur schwer ein Lachen verkneifen, stattdessen schaute ich aus dem Fenster und lehnte mich tatsächlich ein wenig zurück.
Meine Gedanken schweiften ab. Ich sah die Straße und die Häuser vor mir nur ungenau, aber es war mir auch egal. Ich konnte mich sowieso nicht auf sie konzentrieren und es gab ja auch nicht viel zu sehen.
Immer wieder tauchte ein Bild vor meinem inneren Auge auf. Lucan wie er da an meine Spüle gelehnt dastand. Wenn ich es schon nicht schaffte meine Gedanken zu verdrängen, musste ich sie wenigstens ordnen.
Was wusste ich über ihn?
Er heißt Lucan Caver. Heißt er wirklich so oder hat er sich den Namen nur ausgedacht? Nein, wohl eher nicht. Wieso sollte er auch. Er hat keinen Grund mir seinen richtigen Namen nicht zu nennen.
Außerdem scheint er schnell zu sein, viel zu schnell für einen Menschen. Da ist irgendetwas faul dran, aber was nur? Eigentlich hätte er es gar nicht schaffen können seinen Mantel zu holen und auch gleichzeitig zu verschwinden und das alles in nur ein paar Sekunden. Aber was sollte er auch sonst sein, statt einem Menschen?
Ich glaube ich habe einfach zu viele Fantasyromane gelesen und verwechsle die Wirklichkeit mit dem geschriebenen.
„Worüber denkst du nach, kleines?“, fragte mich plötzlich Marco von der Seite her. „Bedrückt dich irgendetwas?“
„Nein, es ist alles ok. Die Arbeit ist ein wenig stressig.“, versuchte ich ihn abzulenken. War es wirklich so offensichtlich, dass etwas anders war als sonst? Wer würde sich aber nicht darüber den Kopf zerbrechen wenn ein Mensch einfach viel zu schnell ist?
„Doch, es ist irgendetwas. Du musst es mir aber nicht sagen wenn du nicht willst. Aber wenn doch, ich bin immer für dich da.“
„Danke Marco ich weiß das zu schätzen und vielleicht sag ich es dir auch bald. Ich muss nur meine Gedanken ordnen, dann bin ich wieder die alte.“
„Dann ist ja gut. Oh, wir sind gleich da.“, sagte er stattdessen und ich war froh dass er das Thema gewechselt hatte.
Ich schaute wieder aus dem Fenster, doch vor mir waren verlassene Lagerhallen die sich zu beiden Seiten hin erstreckten. Mir kamen zweifel ob wir hier überhaupt richtig waren.
„Marco, bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?“
„Ja, bin ich. Wie ich schon gesagt habe, die Ausstellung ist nur für eingeladene Personen. Außerdem passt es besser hierher als in eine dieser großen Ausstellungsräume, glaub mir.“ Er sah mich augenzwinkernd an.
„Wenn du das meinst….“